Zum Einstieg etwas binominale Nomenklatur
Wer sich durch unsere Seiten schnuffelt, stößt dabei unweigerlich auf altsprachliche Artnamen wie z.B. Canis lupus oder auch, wer kennt ihn nicht, den Homo sapiens. Wir folgen bei Beschreibungen von Gliederungen oder Verwandtschaftsverhältnissen innerhalb der Systematik der Organismen, entsprechend bei der Beschreibung einer Art dem hierbei gültigen Prinzip der binominalen bzw. der binären Nomenklatur (lat. binarius = zwei enthaltend, nomenclatura = Namensverzeichnis).
In dieser Nomenklatur setzt sich der Artname aus zwei Wörtern zusammen. Hierbei bezeichnet das erste Wort, welches immer mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben
wird, die Gattung, zu welcher der Organismus gehört. Das zweite kleingeschriebene Wort bezeichnet den Artnamen der Zugehörigkeit. Die
höheren taxonomischen Kategorien werden nur mit einem Wort benannt. Schöne Theorie?
Hangeln wir uns dochn einmal am Beispiel des Canis lupus durch die Systematik der Tiere:
- [Überreich] - Eukaryota (Kernzeller) KANDLER
&
WHEELIS, 1990 - [Reich] - Animalia (Vielzellige Tiere) LINNAEUS, 1858
- [Unterreich] - Metazoa (Vielzeller) HAECKEL, 1874
- [Abteilung] - Eumetazoa (Gewebetiere) BÜTSCHLI, 1910
- [Unterabteilung] - Bilateria HATSCHEK, 1888
- [Überstamm] - Deuterostomia (Neumünder) GROBBEN, 1908
- [Stamm] - Chordata (Chordatiere) BALFOUR, 1880 BATESON, 1885
- [Unterstamm] - Vertebrata (Wirbeltiere) LAMARCK, 1801
- [Überklasse] - Gnathostomata (Kiefermäuler) ZITTEL, 1879
- [Reihe] - Tetrapoda (Landwirbeltiere) GOODRICH, 1930
- [Klasse] - Mammalia (Säugetiere) LINNAEUS, 1858
- [Unterklasse] - Eutheria (Höhere Säugetiere)HUXLEY, 1880
- [Überordnung] - Laurasiatheria WADDELL ET AL., 1999
- [Ordnung] - Carnivora (Raubtiere) BOWDISH, 1821
- [Überfamilie] - Canoidea (Hundeartige)SIMPSON, 1931
- [Familie] - Canidae (Hunde) FISCHER, 1817
- [Unterfamilie] - Caninae GILL, 1872
- [Tribus] - Canini (Echte Hunde)
- [Gattung] - Canis LINNAEUS, 1758
- [Art] - lupus (Wolf) LINNAEUS, 1758
Nicht zu vergessen unser Haushund Canis lupus familiaris:
[Gattung] - Canis [Art] - lupus [Unterart] - familiaris. Durch Benennung der Unterart (somit 3 Nomina) handelt es sich hier um eine anerkannte Variation der Namensgebung in der Systematik.
Übrigens ist der Pfad der wissenschaftliche Namensgebung zur Spezies Homo sapiens unter der Beachtung der Kriterien zur Namensgebung (z.B. spezifische Merkmale) ebenfalls durchaus recht interessant
Nach der gemeinsamen Unterklasse trennen sich nun unsere taxonomischen Pfade in der Systematik der Tiere von denen unserer Carnivoren:
- [Unterklasse] - Eutheria (Höhere Säugetiere)HUXLEY, 1880
- [Überordnung] - Euarchontoglires
- [Ordnung] - Primates (Primaten) LINNAEUS, 1758
- [Unterordnung] - Haplorhini (Trockennasenaffen) POCOCK, 1918
- [Teilordnung] - Catarrhini (Altweltaffen) E. GEOFFROY, 1812
- [Überfamilie] - Hominoidea (Menschenartige) GRAY, 1825
- [Familie] - Hominidae (Menschenaffen)GRAY, 1825
- [Tribus] - Hominini (Echte Menschen) GRAY, 1825
- [Gattung] - Homo LINNAEUS, 1858
- [Art] - sapiens (Jetztmensch) LINNAEUS, 1758.
"Bin ich froh, dass ich nicht als Primat herumlaufen muss"
Die Evolution von den Miacidae zum Canis lupus familiaris
Die folgenden Zeitangaben der Evolution folgen der chronostratigraphischen Gliederung des Känozoikums.
Die Erde im Übergang Kreide/ Paläogen
Quelle Erdkarte: © C. R. Scotese,
www.scotese.com
Das Mesozoikum oder "der Zeitabschnitt des mittleren Lebens" endet in
einer ökologischen Katastrophe. Gegen Ende der Kreidezeit kommt es zum Massensterben, dem ca. 90% der marinen- und ca. 56% aller landlebenden
Arten der Fauna zum Opfer fallen. Die Dinosaurier sterben vollständig aus. Die Arten der Flora werden um ca. 10% der höheren Pflanzen
dezimiert. Neben den vulkanischen Aktivitäten lässt sich eine massiver Meteoriteneinschlag (K/T Ereignis) in der Halbinsel Yukatan (Mexiko)
nachweisen, welcher eine weitere massive Schädigung des bereits schwer angeschlagenen Ökosystems hervorruft.
Die ältesten bekannten Säugetiere stammen aus der
Obertrias (vor ca. 228,6-199,6 Mio. Jahren). Im
Mesozoikum waren nur wenige Säugetiere größer als eine Hauskatze. Die meisten waren allerdings nicht
größer als eine Ratte. Viele Ordnungen der modernen Säugetiere vollziehen den Übergang von der
Kreide in das Paläogen.
Miacis kessleri (SPRINGHORN, 1982), © fossilien.de
Die Urahnen unseres Hauswolfs finden sich wahrscheinlich in den Vertretern der Familie der Miacidae (COPE, 1880). Bei den Vertretern der Miacidae handelte es sich um marderähnliche Landraubtiere, die gegen Ende des Paleozäns (Übergang ins Eozän vor ca. 55,8 Mio. Jahren) in den Nordamerikanischen- sowie den Europäischen Wäldern lebten. Diese Carnivoren waren morphologisch auf ein Leben sowohl am Boden, als auch in den Bäumen entwickelt. Allerdings gibt es auch die umstrittene Theorie, welche besagt, das sich der tatsächliche Urahn unseres Canis lupus familiaris auf einen kleinen (ähnlich Streifenhörnchen) nordamerikanischen Räuber aus der Oberkreide (Maastrichtium, vor 70,6.. 65,5 Mio. Jahren) zurückführen lässt - dem Cimolestes (MARSH, 1889).
Rekonstruktion eines Cimolestes (MARSH, 1889)
Quelle: ©
www.paleocene-mammals.de
Dieser kleine Räuber ernährte sich vermutlich hauptsächlich von Insekten. Der Urahn des Wolfes war also ein Insektenfresser?
Durchaus eine interessante Hypothese, allerdings ist von Cimolestes nur sehr wenig bekannt, da der Nachweis seiner Existenz ausschließlich auf Zahnfunden fußt.
Man geht davon aus, das sich im Laufe des späten Eozäns die Ordnung der Carnivora (Raubtiere) in die beiden Raubtier- Stammlinien der Hundeartigen (Caniformia; KRETZOI, 1943) und der Katzenartigen (Feliformia; KRETZOI, 1945) aufgespaltet haben. Die jeweiligen Stammlinien setzen sich aus den Vertretern der folgenden Familien zusammen:
- Hundeartige (Caniformes) - KRETZOI, 1943
- Hunde (Canidae)
- Arctoidea - FLOWER, 1869
- Bären (Ursidae) - FISCHER, 1817
- Walrosse (Odobenidae) - ALLEN, 1880
- Ohrenrobben (Otariidae) - GILL, 1866
- Hundsrobben (Phocidae) - GRAY, 1821
- Kleine Pandas (Ailuridae) - F. G. CUVIER, 1825
- Skunks (Mephitidae) - BONAPARTE, 1845
- Kleinbären (Procyonidae) - GRAY, 1825
- Marder (Mustelidae) - TEDFORD, 1976
- Katzenartige (Feliformes)- KRETZOI, 1945
- Pardelroller (Nandiniidae) - GRAY, 1830
- Aeluroidea
- Katzen (Felidae) -FISCHER, 1817
- Schleichkatzen (Viverridae) - GRAY, 1821
- Hyänen (Hyanidae)
- Mangusten (Herpestidae) - BONAPARTE, 1845
- Madagassische Raubtiere (Eupleridae) - CHENU, 1852
Die Entwicklung der Hunde fand ihren Ursprung in Nordamerika und war geographisch auf diesen Kontinent beschränkt. Hier entwickelte sich im
Eozän (Bartonium, vor 40,4 - 37,2 Mio. Jahren)
ein kleinwüchsiger Canide (etwa in der Größe eines Fuchses), der Hesperocyon (SCOTT, 1890). Bei dieser Gattung handelte es sich um einen wendigen und muskulösen Räuber. Dessen
Gangwerk unterschied sich deutlich von dem der Miaciden (längere Läufe, ausgebildete Fußballen, Zehengänger). Dadurch konnten er sich am Boden deutlich besser bewegen (Jagd). Die Evolution der Hesperocyon brachte
mehrere Canidenformen hervor. Diese reichten von Fruchtfressern bis hin zu Hyänenähnlichen Caniden mit schweren und kräftigen Kiefern.
Aus diesen Hundeartigen Raubtieren, welcheim Oberen Oligozän (Chattium,
vor 28,4 - 23,03 Mio. Jahren) ausstarben, gehen drei Entwicklungslinien hervor:
Evolution der Caniden in Nordamerika Quelle:
© Xiaoming Wang, Ph.D.
• Hesperocyoninae (MARTIN, 1989)
• Borophaginae (SIMPSON, 1945)
• Caninae (GILL, 1872)
Die Hesperocyoninae bilden die frühzeitlichste und älteste Gruppe der Caniden. Die Diversität dieser Unterfamilie erreichte vor ca. 28 Mio. Jahren, also im Mittleren Oligozän ihren Höhepunkt. Obwohl ihre Ausbreitung ausschließlich auf den Nordamerikanischen Kontinent beschränkt blieb, stellten die Vertreter der Hesperocyoninae die dominierenden Carnivoren ihrer Zeit dar.
Schädel des Mesocyon coryphaeus
© Dr. X. Wang, Dr. R. Tedford,
Natural History Museum of Los Angeles
Vor ca. 13 Mio. Jahren (Mittleres Miozän), endet die Linie und Evolution der Hesperocyoninae.
Die Borophaginae, allgemein auch als Hyänenartige bekannt, stellen die größte und artenreichste Gruppe der frühzeitlichen Caniden dar. Die Evolution der Borophaginae begann vor ca.
32 Mio. Jahren (Unteres Oligozän - Rupelium, vor ca. 33,9.
- 28,4 Mio. Jahren) und sollte ca. 30 Mio.
Jahre dauern (OberesPliozän).
Ihre Artenvielfalt reicht von Waschbär ähnlichen Allesfressern bis zu Hyänenartigen Top- Räubern der Nahrungskette. Auch ihre Ausbreitung
blieb ausschließlich auf Nordamerika beschränkt. Man vermutet, das die morphologische Spezialisierung vieler Arten dieser Unterfamilie auf das, zu dieser Zeit üppig vorhandene Nahrungsangebot in Flora und Fauna,
letztendlich den Schlüssel zum Untergang dieser Arten werden sollte (Klimawechsel, ökologischer Wandel).
Darstellung Jagdszene mit Epicyon haydeni
©
Prof. Mark Hallett
Diese Darstellung einer Jagdszene im späten Miozän des Künstlers Prof. Mark Hallett zeigt die Rekonstruktion des größten Caniden
aller Zeiten. Epicyon haydeni (LEIDY, 1858) erreichte die Größe eines ausgewachsenen großen Bären. Diese Darstellung wurde übrigens im Jahre 2002 mit dem John J. Lanzendorf Paleo Art Award der Society of Vertebrate Paleontology
ausgezeichnet.
So entwickelte sich in der Linie der Borophaginae eine höhere Form eines Caniden, der Tomarctus (COPE, 1873), ein bärenähnlicher Hund mit kurzem Fang
und beachtlichem Gebiss (Name bedeutet "nahezu ein Bär"),
welcher lange Zeit für den Urvater der Canini (Echte Hunde) gehalten wurde. Diese Bärenhunde ähnelten hinsichtlich Knochen und Gebissstatus
durchaus den Canis. Der Entwicklungslinie der Borophaginae und somit auch die der Bärenhunde endet etwa zum Ende des Gelasiums
mit dem Übergang von Pliozän ins Pleistozän (vor ca. 1,806 Mio. Jahren).
Epicyon haydeni (LEIDY, 1858) und Epicyon saevus (LEIDY, 1859)
Ein kleines fuchsartiges Raubtier leitete vor ca. 30 Mio. Jahren (Oligozän -
Rupelium) die Entwicklungslinie der Caninae ein, der Leptocyon (Matthew, 1918). Erst mit dem Rückgang der dominierenden Bärenhunde kommt es zur Entfaltung der Caninae. Fehlende
Spezialisierung und nur bedingt morphologische Ausrichtung auf spezifische Nahrungsquellen und die daraus resultierende Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen und Veränderungen im
Ökosystem Erde hatten den Caninae, im Gegensatz zu deren lange Zeit überlegenen und spezialisierten Beutekonkurrenten, das Überleben gesichert. Etwa im Tortonium
des Miozäns
(vor 11,6 - 7,3 Mio. Jahren) gehen aus Leptocyon die Gattungen Vulpes (Frisch, 1775)
und Canis hervor.
Vor ca. 7 Mio. Jahren wanderten Nachfahren der Gattung Leptocyon der Art Canis davisi (Tedford and Qiu, 1996) über die damals bestehende Landbrücke Beringia
(der heutigen Beringstraße) am nördlichen Abschluss des Beringmeers von Alaska nach Sibirien. Lange nach Canis davisi sind übrigens gewisse Vertreter der Hominidae, so genannte Menschen, über diese Landbrücke von
Sibirien aus in Nordamerika "eingewandert"
Die Canis davisi breiteten sich von Sibirien über Asien, Europa und Afrika weiter aus, und
legten so den Grundstein zur rezenten Diversität der Canidae.