Auch wenn man weiß, dass der treue Gefährte bald gehen muss, so kann man sich nicht wirklich auf den Verlust vorbereiten. Dementsprechend zog Jasons jäher Tod Anja und mich richtig tief herunter - und das ist nicht nur so dahergeschrieben. Wir hatten innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne zwei wundervolle Familienmitglieder verloren. Es waren 10 äußerst intensive Jahre gewesen, welche unser beider Leben grundsätzlich verändert, und uns entsprechend geprägt haben. Das Leben schreibt in der Tat recht sonderbare Geschichten. Vielleicht war es tatsächlich nur ein Zufall gewesen, welcher Anja, die äußerst schwer an Jasons Verlust zu tragen hatte, ins Tierheim Pforzheim geführt hat. Dort stand laut Homepage ein ca. zweijähriger Terrier-Mischling namens Terry zur Vermittlung, welcher in jeglicher Hinsicht unserem Anforderungsprofil entsprochen hatte. War diese Begegnung erneut ein Zufall gewesen? Doch urteilt am besten selbst.... |
Ein Heimkind namens Terry
Als ich dann schließlich diesen Terry nach einem harten Arbeitstag kennenlernen durfte, war mir bereits klar gewesen, dass hier etwas »im Busch« sein musste. Anja hatte zuvor bereits mehrer Gassi-Runden mit diesem Knaben absolviert und irgendwie fand sie sich auffallend gut im Tierheim zurecht. Und Terry freute sich unverkennbar wie Bolle, als er Anja auf seine Box zukommen sah. Es war ein heißer Freitag-Nachmittag gewesen. Nie im Leben hätte ich mir bei unserem ersten Treffen mit diesem Terrier-Mischling
Heimkind Terry - © TSV Pforzheim
träumen lassen, dass ich ihn schon sehr bald ein bisschen gern haben würde,
und etwas später, na ja....
Jetzt erfuhr ich endlich mal etwas mehr über Terry. Er stammte aus dem Kosovo, und war ursprünglich im TH Zagreb gelandet. Gut, dass Tierschutz keine Grenzen kennt.
In den vergangenen Jahrzehnten habe ich so einige Terrier kennengelernt. Zweifelsohne sind es zähe, ausdauernde, intelligente und äußerst wendige Gesellen, vor allem aber alles andere, als Kinder von Traurigkeit. Der muskulöse Hals endet in der Regel in einem Sturkopp, welcher seinesgleichen sucht. Und dieser mittelgroße Asket hier schien in der Tat aus 19 Kilogramm blanker Kraft und Energie zu bestehen - WOW.
Doch die Pflegerin hatte noch etwas von Terry zu berichten - bei ihm handelte es sich um einen sogenannten »Rückläufer«. Als Rückläufer werden Hunde bezeichnet, welche bereits vermittelt gewesen waren und wieder zurückgegeben worden sind. Was Terry anging, so hatte er Probleme mit Männern besessen und bereits diverse Male »zugepackt«. Zuletzt hatte wohl sein neuer Halter versucht, ihn am Halsband auf die Terrasse zu zerren - diese, irgendwie doch recht sonderbare, Handlung war inder Tat ein großer, mit Sicherheit auch recht schmerzhafter, Fehler gewesen
Am Freitag den 20. Mai 2016 war es dann soweit, der Tierüberlassungsvertrag war unterzeichnet, und Terry unserer Obhut anvertraut worden. Bei den Gassi-Gängen zuvor war insbesondere die Interaktion zwischen Terry und mir mit Argusaugen von Pflegern und der Leiterin des Hunde-Hauses beobachtet worden. Denn schließlich sollte Terry endlich in sein endgültiges Zuhause ziehen. Spätestens als wir Terry nach den Formalitäten und letzten Gesprächen mit der Leiterin des Hundehauses zum zweiten Mal an diesem Tag aus seiner Box holten, hatte er verstanden. Jetzt wurden wir regelrecht zu unserem Auto gezogen. Kaum dass ich die Tür geöffnet hatte, da saß auch schon ein fideler Hund auf der Rücksitzbank und konnte es kaum erwarten, dass es losging. Mein kleiner Bruder hatte an jenem Tag wohl gespürt, dass sich sein Leben von nun an grundsätzlich ändern würde - sich zum Guten wenden würde
Im Leben bekommt man nichts geschenkt,
und Terry besaß eine Vergangenheit.
Und wie wir alle wissen,
geschieht in der Hundewelt
nichts ohne Grund
Ein neuer Lebensabschnitt beginnt
Terry schien die personifizierte Unkompliziertheit in Individuum zu sein. Autofahren fand er klasse und während ich das Fahrzeug führen durfte, wurde auf der Rückbank ausgiebig geschmust. Zuhause angekommen, beschlich uns dann das Gefühl, als ob Terry schon immer da gewesen sein musste. Mit Begeisterung nahm er sein neues Heim in Besitz. Und als er dann noch die Spielzeuge Zerr-Seil und Quietsche-Igel überreicht bekam, da war er unverkennbar der glücklichste Hund der Republik gewesen. Er schien stets im Voraus zu wissen, was von ihm verlangt wurde - Terrier sind in der Tat ein ganz eigener Schlag von Vertretern ihrer Art
Terry auf dem Balkon
Die erste Nacht war absolut friedlich und ruhig verlaufen. Auf der Morgen-Runde hatte er sich erneut absolut leinenführig gezeigt und damit begonnen, mit Hingabe und Begeisterung sein neues Revier zu erkunden. Zuhause dann ein fröhlicher und harmonischer Samstag-Morgen mit unserem neuen Falilienmitglied.
Ernüchterung - Teil 1
Die Ernüchterung sollte nicht lange auf sich warten lassen. An diesem Samstag-Morgen war ich mit Terry alleine gewesen und kümmerte mich um die Hausarbeiten. Anja erledigte die Einkäufe. Als ich das Wohnzimmer betrat, hatte sich Terry auf dem Teppich abgelegt. Ich hätte diesen Blick, besser den Ausdruck, wohl besser deuten sollen. Wahrscheinlich hatten wohl die vergangenen Stunden des harmonischen Miteinanders meine Aufmerksamkeit eingelullt. Wie dem auch sei, ich schlug einen höflichen Bogen um ihn und dann ging alles sehr schnell vonstatten, an diesem Morgen zu schnell für mich. Ansatzlos kam er emporgeschnellt, hatte zugepackt und stand bedrohlich vor mir. Es schien gerade so, als würde da ein ganz anderer Hund vor mir stehen. Die pochende und blutende Hand war real und machte mich stinksauer. Doch, anstatt blind meiner Wut zu folgen, löste ich diese Situation friedlich auf, was, im nachherein betrachtet, zweifelsohne die richtige Entscheidung gewesen war
Er hatte mich kalt erwischt. Ich hatte mich im Rahmen der artgerechten Kommunikation unter Hunden ausgesprochen höflich verhalten. Ebenso wenig war er von mir in irgendeiner Form bedrängt worden. Diese ganze Aktion hatte zu diesem Zeitpunkt für mich keinerlei Sinn ergeben.
Terriers Welt - Jagdspiel im Garten
Auf der Mittags-Runde hatte ich den folgsamsten Hund der Welt an der Leine. Wir hatten beide unseren Spaß, studierten uns gegenseitig und es stand außer Frage, dass dieser Hund begierig darauf war, gefordert zu werden. Der restliche Tag verlief harmonisch und ohne weitere »Zwischenfälle«.
Das Highlight des Sonntags bestand darin, dass wir uns mit Freunden zum Mittagessen im Kurpark-Pavillon trafen. Terry genoss unverkennbar die Ansprache und präsentierte sich auch auf der dortigen Terrasse als folgsamer und knuffiger Begleiter. Es schien beinahe so, als ob solche Lokal-Besuche für ihn das Normalste der Welt wären
Ernüchterung - Teil 2
Aufgrund des harmonischen Miteinanders während des ganzen bisherigen Tages, traf mich die folgende Begebenheit umso mehr. Ich saß gerade am Esstisch im Wohnzimmer und bearbeitete meinen Laptop, als Terry zu mir herangetrabt kam um sich an meinen Oberschenkel zu drücken. Nach heller freundlicher Ansprache begann ich damit, ihn am Rücken zu streicheln. Gut, dass ich aus dem Augenwinkel die zitternden Lefzen und die freigelegten Zähne rechtzeitig erkannt hatte – der Kopf kam blitzschnell herumgeschossen, doch der laute Knall des zuschnappenden Hundekiefers ging ins Leere, ebenso, wie das kurze Nachsetzen. Kaum zu glauben, doch bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich zuvor mehrfach von mir streicheln lassen, regelrecht Kraul-Einheiten eingefordert
Wir hatten ein Problem, falsch, ich hatte ein Problem, denn Anja schien er unverkennbar ins Herz geschlossen zu haben. Klar, sie war es gewesen, welche das Gros der Gassi-Runden im TH mit ihm absolviert hatte. Nach Rücksprache mit dem Tierheim stand fest, dass wir uns ein durchaus heftiges Brett angelacht hatten. Ebenso stand fest, dass, sollten wir Terry wieder zurückgeben, seine Vermittlungschancen endgültig gegen 0% gehen würden. Natürlich hatte man uns auch Unterstützung zugesagt. Letztendlich habe ich mich mit Anja darauf geeinigt, dass er nach der nächsten Attacke gehen könnte. Na ja, zwei oder drei Beißversuche später war er immer noch da gewesen
Die neue Welt wird erschnuffelt