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Als Erstes hatte ich daraufhin auf 0815-Dominanz
gesetzt, und damit begonnen, ein entsprechendes
Ober-Unter-Szenario zu kreieren, ähnlich des Trainings
auf DSH-Plätzen. Doch wer will schon einen Bückling zum
Familienmitglied? Als ich dann auch noch erste Anzeichen
von aufkommender Handscheue feststellen musste, brach
ich dieses stumpfe Unterfangen umgehend ab
»Habe ich denn wirklich alles vergessen?«
»Ich habe Harry Lebensfreude und
Lebensqualität zurückgegeben, habe bewiesen, dass in der Hundewelt nichts unmöglich ist. Und verglichen zu Harrys breitem Spektrum an mannigfaltigen Problemen, waren Terrys Probleme
zweifelsohne überschaubar gewesen.«
»Ach ja, und wer
von Terry und mir vertritt
hier eigentlich die höhere Spezies?«
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Kann ich dir vertrauen?
Also habe ich Held endlich mein Gehirn eingeschaltet,
und die umfassenden Erfahrungen aus der Vergangenheit wieder hervorgekramt und
gemeinsam mit Anja damit begonnen, uns auf die Suche nach Systematiken zu begeben. In jenen Tagen sah die Ausgangslage
nun also wie folgt aus:
- Terry vertraut Anja und hat bereits damit begonnen, eine Bindung zu ihr aufzubauen;
- Wir müssen darauf achten und im Vorfeld intervenieren, sollte Terry damit beginnen, Anja vor mir verteidigen zu wollen. Er muss sanft aber bestimmt lernen, dass er die hierarchische Nummer 3 in unserer Gruppe inne hat;
- Obwohl er meinen Anweisungen und Kommandos mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks folgt, packt er gelegentlich zu;
- Er besitzt hinsichtlich des Drohverhaltens eine ganz individuelle Vorgehensweise bei der Eskalation innerhalb der natürlichen Aggression seiner Art;
- Außer Haus entwickelt er sich mit zunehmender
Selbstsicherheit gegenüber Artgenossen zum
»Stinker«.
Dementsprechend sah unser Plan im Großen und Ganzen wie folgt aus:
- Ausloten der situationsspezifischen Trigger, welche Terry verunsichern, bzw. unerwünschtes Verhalten auslösen - kurzum, Szenarien entwickeln, beobachten und testen;
- Sanfte und artgerechte Erziehung bei positiver Bestärkung;
- Ich übernehme die Fütterung und wir entwickeln ein kleines Fütterungsritual;
- Terry muss ganzheitlich gefordert und gefördert werden. Bei einem Terrier-Jagdhund-Mischling heißt dass, körperliche Auslastung, Kopfarbeit, Lenkung des Jagdtriebs in richtige Bahnen, Kräftemessen (Raufen), Entspannung und Stärkung Familienbande;
- Training des Grundgehorsams in und außer Haus, sowie Schleppleinenarbeit mit dem Ziel Leinen-Freiheit;
- Vertrauen erarbeiten, sich Vertrauen verdienen;
- Keinesfalls den Hund bedrängen. Bei räumlicher Enge beispielsweise Terry heranrufen bei positiver Bestärkung;
- Konsequenz, Konsequenz, Konsequenz
Was auch immer diesem Hund durch Männer widerfahren war, es galt ihn diesbezüglich regelrecht zu resetten. Der Grundpfeiler eines solchen Resets basiert auf Vertrauen. Dieses muss sich auf Basis eines artgerechten Umgangs langsam entwickeln. Letztendlich haben wir bei Terrys Integration Harrys Weg eingeschlagen. Terry ist von seinem Wesen her Voll-Terrier
plus Jagdhund Add-on, mit allem, was das impliziert. Und so war es nicht verwunderlich gewesen, dass wir bereits innerhalb kürzester Zeit signifikante Fortschritte in die richtige Richtung vorzuweisen hatten
Kleiner Streber
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Terry war und ist ein hellwacher Hund und besitzt eine beeindruckende Auffassungsgabe. Schon sehr bald war offensichtlich, dass er gefordert werden will und muss. So hat er beispielsweise ein neues Kommando binnen weniger Tage verinnerlicht.
Es versteht sich von selbst, dass ich hier nicht all die unzähligen Maßnahmen erörtern kann, welche wir getroffen und konsequent durchgezogen haben. Hunde sind Individuen, und es bedarf im Umgang mit ihnen jeder Menge »Feintuning« um etwas nachhaltig zu bewirken. Eines muss man sich dabei aber stets vor Augen halten – im Umgang mit unsicheren Hunden
kann mit einer einzigen unbedachten Handlung innerhalb kürzester Augenblicke die Arbeit von Wochen zunichtegemacht werden!
Doch zurück zum Thema. Einer der ersten Knackpunkte war das An- u. Ausziehen des Geschirrs, da hier aus Sicht des Hundes eine regelrechte Bedrängungslage entsteht, welche unvermeidlich ist. Diese Lösung war simpel gewesen, zumal wir einen stechenden Trumpf im Ärmel hatten – als ultimativer Terrier steht er auf Action in und außer Haus. Doch vor all der Action steht eben das Anleinen.
Leine, wer bitte braucht eine Leine?
Hunde sind Individuen und nach wenigen Tagen hatte
ich sein Ausdrucksverhalten „intus“. Unsere
Kommunikation wurde entsprechend fein abgestimmt und
damit war ein weiterer essentieller Brückenschlag
gelungen. Schon sehr bald hatte Terry durch zahlreiche
Leinenhandlungen nach strikt gleichen Mustern gelernt,
dass von dieser Handlung keine Gefahr ausgeht. Der
Mensch interagiert mit ruhigen Bewegungen, kommuniziert
und geht vor allem »höflich« vor. Doch der eigentliche
»Knaller« besteht in der »Belohnung« nach erfolgtem An-
und Ableinen. Stimmungsübertragung seitens des
Zweibeiners sorgt für Steigerung der Vorfreude. Bereits
nach wenigen Wochen konnte ich so meine speziellen
fingerlosen Handschuhe, welche mich in den ersten Tagen
zweifelsohne vor schmerzhaften Blessuren geschützt
hatten, wieder tief in der Garderobe verstauen
Jetzt habe ich noch einen draufgesetzt. Da Anja unserem kleinen Streber bereits jede Menge Kommandos beigebracht hatte, welche er aus dem FF beherrscht, begann ich damit, nach jeder Rückkehr von unseren Runden, eine Handvoll Übungen wie Hand links und rechts, Sitz, Platz, Arm, Rummenum, Tag, Hops, Rolle usw. abzurufen. Nach jeder erfolgreichen absolvierten Übung gibts ein Leckerli. Und glaubt mir, bis zum heutigen Tag fordert Terry nach dem Ableinen vehement seine Lektionen ein. Und das liegt nicht alleine an den Leckerli. Er will, ja, er muss regelrecht gefordert werden. Das dem so ist, belegt er mit seinem vorzüglichen Gehorsam in und außer Haus,
auch ohne Leckereien. Das dieses, letztendlich ganz banale, Ritual unterm Strich diverse positive Faktoren hinsichtlich der Interaktion von Hund und Mensch beinhaltet, dürfte offensichtlich sein
Spasstag 2016 in St. Leon-Rot - auf Anhieb 2x 2. Platz
Am Spasstag hat Junior, ohne jegliche Vorbereitung, gemeinsam mit Anja und meiner Schwester Imke, gleich einmal in der Klasse »Große Hunde« sowohl beim Hunderennen, als auch beim Spaß-Parcours (Mini-Agility-Parcours) prompt die 2. Plätze geholt. Und natürlich hat es sich unser Schelm nicht nehmen lassen, an der Station, an welcher Hunde an Näpfen mit Wienerle vorbeigeführt werden, ohne eine Reaktion auf die Leckereien zu zeigen, zuzuschlagen. Er hat sich direkt den ganzen Napf geschnappt, und ist mit diesem im Maul dann, sehr zur Erheiterung der Zuschauer, durch die halbe Reithalle getrabt, um seine Beute in Sicherheit zu bringen und
sich, viel zu schnell für das menschliche Auge, einzuverleiben.
Alles musste sich langsam entwickeln. So hat sich beispielsweise
selbst aus jeder einzelnen der drei Fütterungen pro Tag regelrecht ein Ritual entwickelt, welches bis zum heutigen Tag von Terry mit Hingabe und Begeisterung zelebriert wird. Rituale verleihen Sicherheit und stärken zweifelsohne die Bindung.
Die Zeit arbeitete für uns, und Terry begann unverkennbar damit, auch zu mir eine Bindung aufzubauen. Klar, gelegentlich gab es noch den ein- u. anderen »Verweis« auf Hundeart, doch letztendlich habe ich mir alle diesbezüglichen Trigger selbst auf die Fahne zu schreiben. Hier ein kurzes Drohen, oder bei Ignoranz auch schon mal ein »Droh-Schnappen«, allerdings bewusst »ins Leere«, denn gebissen hat er mich nie wieder. In allen Fällen hatte er diese Situationen als bedrohlich eingestuft, insbesondere bei räumlicher Enge. Dank dieser Erkenntnis habe ich auch an mir gearbeitet und diese Szenarien vermieden.