Harrys Tod hatte unsere kleine Welt regelrecht aus den Angeln gehoben. Was hatten wir nicht alles gemeinsam erlebt und durchgestanden. Rückblickend betrachtet war es ein großes und unvergessliches Abenteuer gewesen. In zahlreichen Ausnahmesituationen hatten wir an Harrys Seite mehr über das faszinierende Wesen Haushund gelernt, als es durch das jahrelange Miteinander mit Harrys wunderbaren Vorgängern der Fall gewesen war. Es war einfach etwas ganz Besonderes gewesen, diesen liebenswerten Chaoten zur Seite zu haben. Doch alles, was uns geblieben war, bestand aus Trauer und tiefer Leere. Weihnachten 2014 war trist gewesen, Silvester noch einen Tick öder. Doch wir sollten noch ein gehöriges Pfund mehr eingeschenkt bekommen. Nachdem unsere ”Graue Eminenz” Kira tagelang erfolglos nach IHREM spanischen Bauern gesucht hatte, begann sie zusehends abzubauen. Die medikamentöse Einstellung bezüglich ihrer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz hatte aufgehört zu greifen - und wir waren zu jener Zeit längst am Anschlag der tiermedizinischen Möglichkeiten gewesen. Mitte Januar 2015 stand für Anja und mich fest, dass wir ohne Hauswolf an der Seite früher oder später unsere Namen veitstanzen würden. Einen Plan hinsichtlich Rasse oder Geschlecht gab es nicht. Allerdings hatten wir uns aufgrund der Treppen auf eine Gewichtsobergrenze von ca. 20 kg geeinigt. Ach ja, selbstredend sollte es erneut ein Heimkind sein. Aufgrund der mannigfaltigen Erfahrungen aus Umgang und Therapie von Harrys schwerer Arthrose hatten wir einen jüngerer Hund im Sinn - so zumindest der Plan.... |
Ein Aussie namens Jason
An einem tristen Samstagnachmittag kreuzten sich im Tierheim dann schließlich unsere Pfade....
Heimkind Jason - der erste Tag der
Probewoche
Was wir zum damaligen Zeitpunkt eben nicht auf dem Schirm hatten, war die klitzekleine Tatsache, dass das Leben nun einmal nicht linear verläuft. Auf den Punkt gebracht, hatte die Vorsehung längst einen eigenen Kandidaten für uns bestimmt -
Ein Heimkind namens Jason
Als wir im Februar an jenem Samstagnachmittag das Tierheim-Ettlingen betraten, schlug die Vorsehung zu. Wir hätten uns in den kühnsten Träumen nicht ausgemalt, dass wir bereits eine halbe Stunde später mit Heimkind eine Kennenlern-Runde um den Buchtzigsee drehen sollten. Und erst recht nicht mit diesem Hund:
- Einem waschechten Aussie;
- Alter geschätzt 10 bis 14 Lenze, wobei laut Tierheimleitung eher 14 (später auch durch Radiologen bestätigt);
- Verdacht auf HD (wurde später durch Röntgenbefundung nicht bestätigt);
- Fell struppig und stumpf;
- Backenzähne in schlechtem Zustand;
- Gehör und Sehvermögen dem Alter entsprechend;
- Getreideallergie;
- Ansonsten aber topfit, so schien es zumindest.
Heimkind Jason - aufgrund Hautproblemen mit Mäntelchen © TSV Ettlingen
Wie dem auch sei, eigentlich wollten wir ja nur einmal gucken. Daher hatten wir uns im Vorfeld über die betreuten Hunde nicht kundig gemacht. Jason hatte ich im Außengelände durch Zufall entdeckt. Kurz darauf war er schon wieder im Innenbereich verschwunden, um sich, nach Auskunft seiner Pflegerin, seinem täglichen Mittagsschläfchen hinzugeben. Kurz darauf hatte ich eine Leine in der Hand und wurde von einem langhaarigen Derwisch vom Tierheimgelände gezogen. Und glaubt mir, es tat ungemein gut, endlich wieder einmal Pflug zu sein. Als wir dann noch erkennen durften, dass dieser Jason schneller auf das gesprochene Wort reagierte, als ich benötigte, dieses Wort erst einmal zu formulieren, bekam ich glasige Augen. Was nun folgte, war die Erkenntnis, dass Jason die personifizierte Unkompliziertheit an der Leine war. Ob entgegenkommende Artgenossen, Horden von Fahrradfahrern und schlendernden Rentnern, selbst Rollatoren und lautstarke Kurze, sogar ein vorbeidonnernder Zug auf dem Bahndamm ließen Hundemann vollkommen kalt. Auf Ansprache reagierte dieser prompt und glänzte mit einem Grundgehorsam in der Ausführung eines Schweizer Uhrwerks. Ja, und als er dann noch mit unbändiger Begeisterung auf unsere Spielaufforderungen einstieg, da hatte er uns
Probewoche - Die Welt ist gut
Jasons Verhalten bei Rückgabe sprach Bände und auch
die Pfleger hatten verstanden. Erstaunlicherweise waren
wir damals die ersten echten Interessenten an diesem
alten Knaben gewesen. Nach zwei weiteren Wochen
mit täglichem Gassi-Runden folgte dann die alles
entscheidende Probewoche in Etze. Leider konnte Kira
Jason nicht mehr erleben, denn Ende Februar hatten wir den
langen Kampf gegen ihre Niereninsuffuzienz endgültig verloren.
Sie hätte ihn zweifelsohne gemocht, denn wie sich schon
sehr bald zeigen sollte, hatte er so Manches mit unserem
spanischen Bauern gemein
Von Licht und Schatten
Von der ersten Minute der Probewoche an begann Jason im neuen Heim regelrecht aufzublühen. Im Heim war er mit einer Kombi aus Trofu und Nassfutter ernährt worden, was leider ernährungstechnischer Voll-Kappes gewesen war.
Hungerhaken J - "Ist's Essen endlich fertig?"
Wie dem auch sei, wir fingen an, den kleinen Mann auf Nassfutter umzustellen, wovon er unverkennbar begeistert war. So gelang es uns bereits nach kürzester Zeit, seine Stuhlfrequenz von sage und schreibe 6-7/Tag deutlich abzufedern. Dass unser Heimkind für eine Umstellung auf BARF zu alt war, versteht sich von selbst. Und auch der Versuch, in seine Ernährung altbewährtes und hochwertiges Dosenfutter einschleichen zu lassen, ging aufgrund seiner Vorgeschichte voll daneben. Jahrelange Mangel- u. Fehlernährung hatten im Verdauungssystem des Wölfchens offensichtlich fatale Spuren hinterlassen. Also blieb uns für's Erste nichts anderes übrig, als uns auf das bewährte Nassfutter aus dem Tierheim festzulegen.
Im Verlauf der Übergabe nach der Probewoche erfuhren wir dann von der Tierheimleiterin, dass Jason tatsächlich bereits 14 Jahre alt gewesen war. Doch was solls, der alte Knabe war mittlerweile derart auf uns fixiert gewesen und fühlte sich in seinem neuen Zuhause sichtlich wohl - er hatte sein endgültiges Heim und seine Menschen gefunden.
Agility - Jasel
bei den Grauen Pfoten mit Trainerin
Jason war zweifelsohne die Unkompliziertheit auf vier Pfoten gewesen. Sein Grundgehorsam war perfekt gewesen und er wich uns fortan nicht mehr von der Seite. Mit Artgenossen hatte er letztendlich nicht das Geringste im Sinn. Bereits nach wenigen Tagen konnten wir die Leinen wieder wegpacken, denn dieser wunderbare Geselle musste nur seltenst »angeleitet« werden. Seine Kommunikation mit uns beiden während der Reviergänge war seinerseits schlichtweg perfekt. So ließ er sich beispielsweise mit einem einzigen Fingerzeig zum Seitenwechsel selbst an Hunden, welche tobend in der Leine hingen, tiefenentspannt vorbeiführen. Diesen vollkommenen Grundgehorsam hatte er mitgebracht. In Kombination mit seinem steten Kontakthalten war es für Jason das Normalste der Welt gewesen, sich locker flockig durch den größten Trubel zu bewegen.
Jason mit Jack und Ivi
Es waren glückliche Tage gewesen und angesichts der Agilität, seines fidelen Wesens und hellwachen Geistes fiel es uns allen schwer, zu glauben, dass Jasel tatsächlich bereits 14 Jahre alt sein sollte.
Doch der Nackenschlag sollte nicht lange auf sich warten lassen. An einem warmen Sommertag brach Jason während der Mittagsrunde einfach zusammen. Die Diagnose in der Tierklinik war fatal - nach dem Herzschall stand fest, dass der kleine Mann, neben zwei altersbedingten leichten Problemen einen schweren Herzfehler hatte. Die Therapie bestand in Schonung und neben medikamentöser Entwässerung auch in einer Dauertherapie mit Herzmedikamenten. Jasons Lebenserwartung unter dem Aspekt der Lebensqualität war absehbar. Viel schlimmer jedoch war der Umstand gewesen, dass eine stete Infarktgefahr bestand. Eine OP war aufgrund seines Alters und des mit dem Herzfehler einhergehenden Risikos seitens der Ärzte vollkommen ausgeschlossen gewesen.
Du bist nicht mehr alleine
So oder so, wir hatten erneut einen kranken Hund in unserer Mitte. Doch was solls - in unserer Familie steht man fest zusammen und Jason war längst geliebtes Familienmitglied gewesen. Alles was wir tun konnten, bestand, neben der kontrollierten medizinischen Therapie und Schonung, darin, den tapferen kleinen Mann mit Argusaugen zu beobachten und ihm die Lebensqualität zu bieten, welche ihm in seinem bisherigen Leben verwehrt worden war. Und dieser kleine Kerl hatte zweifelsohne jede Menge Nachholbedarf.