Teamwork - Harry und die Sache mit den Kraftfahrzeugen
(Ausgangslage nach Übernahme 2005)
Problemstellung: Während dem Spaziergang hängt der Hund tobend in der Leine.
Auslöser: Passanten jeglicher Art, Fahrradfahrer, KFZ aller Art, Bahn.
Auswirkung: Kritische Verkehrssituationen.
Lösungsfindung zum Auslöser: Personenkraftwagen.
Und so haben wir diese Hürde überwunden:
Da der Hund mehrere Stunden Streif- Jagd oder Beutezug pro Tag braucht, musste entsprechend zuerst artgerecht improvisiert werden.
Erschwerend hierbei war der Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt kein signifikantes Vertrauensverhältnis bestand, und sich der arme Kerl inmitten gravierender Veränderungen seiner ”kleinen Welt” behaupten musste. Klar, man kann auch versuchen jegliche Straßen zu meiden, aber auf Dauer ist das ein unhaltbarer Zustand, da der Hund auch ein Begleiter im Alltag ist.
-Zum Training haben wir uns nun einen Weg parallel zu einer Ortsausfahrtstrasse gewählt, welche tageszeitabhängiges Verkehrsaufkommen hat. Ebenso wird der Fußweg nur selten von Fußgängern (Ablenkung) benutzt, und bietet ausreichend Platz zum ”Agieren” (Vermeidung einer Gefährdung von Hund und Verkehrsteilnehmer). Sobald sich nun ein motorisiertes ”Problem” annäherte, wurde eine größtmögliche (entsprechend der örtlichen Gegebenheiten - hier Waldrand) Fluchtdistanz sichergestellt. Hierbei positionierten wir uns zwischen Straße und Hund. Ruhige nonverbale Signale unsererseits, sowie eine gelassene ruhige Ansprache an den Hund, bei anfänglicher sanfter Fixierung am Geschirr (Stressminderung), entspannte hier die Situation bis zu einem gewissen Grad.
- Ein artgerecht höflicher Umgang war und ist an der Tagesordnung. Das Erste, was Harry erlernte, war eine Kontaktaufnahme zu uns über die Nennung seines Namens. Über aufmerksame Beobachtung seiner Körpersignale bei Annäherung eines Autos, gelang es nun gelegentlich, ihn über Namensnennung bei positiver Bestärkung vom ”Gang nach vorne” in Richtung PKW abzulenken. Die Idee hinter dem Ganzen war simpel: Da kommt ein Auto - na und, es stellt ja keine Gefahr dar, ist weder Feind noch Beute und darf daher unbehelligt passieren. Es verlässt sehr schnell wieder den Sicherheitsbereich unserer Gruppe (Flucht). Unsere Vorgehensweise war erfolgreich, ich habe meinen Teil (Gehorsam) dazu beigetragen, und werde vom Rudelführer dafür belohnt (Erfolg).
- Mit zunehmender Bindung, Integration und Erziehung wurde das Kommando ”Sitz” trainiert. Diesem allgemein gängigen Kommando (als Hör- u. Sichtzeichen), haben wir allerdings von Anfang an ein besonderes Sichtzeichen (bei Bedarf) vorangestellt - nachdem Harry Sichtkontakt hergestellt hat (Namensnennung) geht die rechte Hand zur linken Brust. Durch dieses Sichtzeichen positioniert sich Harrybo sehr dicht frontal zu uns und führt dann das Folgekommando (in diesem Falle Sitz) aus. Wird dieses Sichtzeichen bei bereits abgesetztem Harry verwendet, so rückt er sitzend noch näher heran. Im Gegensatz zur Namensnennung war es mittels diesem zusätzlichen Kommandosatz nun möglich, den Hund kontrolliert entspannungsgerecht zu ”positionieren”, und sich selbst rechtzeitig zwischen Hund und PKW zu stellen. Und siehe da, dort wo alleine Aufmerksamkeit bei Namensnennung versagte, griff, mit stetig zunehmender Trefferquote, das ergänzende ”Sitz” über Hör- u. Sichtzeichen.
- Ein stetig zunehmendes Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Mensch, in Verbindung mit konsequentem Training, führte bald zu einer nahezu 100% Effizienz der ”Sitz” - Variante beim ”PKW- Training”. Inzwischen war auch das erlernte ”Fuß- Gehen” zur Alltagstauglichkeit gereift (je nach Straßenlage relativ zur Laufrichtung mit ”Fuß”- Seite = Harry läuft linksseitig; und ”Hand”- Seite = hier läuft Harry rechtsseitig). Unter steter Beobachtung der Körpersignale und viel Voraussicht, wurde nun die ”Namensnennung” lediglich als gelegentlich mal notwendige erweiterte Fokussierung seiner Aufmerksamkeit beim ”Fuß”- bzw. ”Hand” Gehen eingesetzt.
- Inzwischen ist auch die ”Namensnennung” zur Fixierung der Konzentration kaum noch notwendig. Die stete Beobachtung seiner Körpersignale und Verhaltensweisen, insbesondere deren richtige Deutung
ist uns inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. Bei Bedarf reicht heute bereits eine ruhige Ansprache. Hierbei versteht Uns Harry natürlich kein einziges Wort, allerdings verknüpft er unsere Laute als Anordnung zu einem
bestimmten Verhalten seinerseits (Keine Aktion seinerseits notwendig, da alles in Ordnung und unter Kontrolle ist). Zudem empfängt er die Ruhe in Stimme und nonverbalen Signalen.
Das ”Sitz” an der Straße
wird heute nur noch gelegentlich vor dem Überqueren eingesetzt. Ansonsten lässt sich Harry nur noch in seltensten Fällen durch PKW's aus der Ruhe bringen.
Selbst vorbeirasende ”Mützenjungens” mit ihren lustigen lauten Autos und viel zu überdimensionierten
Endschalldämpfern stellen heute kein Problem mehr dar
Da wir uns und Harrybo genügend Zeit gegeben haben, um dieses Problem an der Wurzel mit artgerechter Konzeption und Umsetzung mittels sanfter Erziehungsmethodik anzugehen, waren selbst stark befahrene Straßen nach ca. einem
halben Jahr für Uns Harry kein Stressfaktor mehr. Die Ursache für das Problem mit vorbeifahrenden (-rasenden) Kraftfahrzeugen lag übrigens, wie bei vielen seiner Probleme, in einer vollkommenen
Verunsicherung des armen Kerls - er war mit diesen Situationen schlichtweg vollkommen überfordert.
Gesicherte Komponenten dieser Unsicherheit finden sich im anfangs fehlenden Vertrauensverhältnis zum neuen Rudel. Auch sein neues Umfeld, mit all den für ihn unbekannten Strukturen, Hierarchien und Abläufen,
trugen zu seiner Verunsicherung bei. Weiterhin war keine Erziehung bezüglich des Grundgehorsams erkennbar.
Über die Art, wie man in seinem ”alten” Leben so etwas wie Erziehung umgesetzt hatte, lässt sich nur spekulieren.Allerdings weisen uns diesbezüglich alte verheilte Wunden und die anfänglichen
gelegentlich ”seltsamen” Reaktionen seinerseits in eine ganz bestimmte Richtung
Hast, Eile und Selbstüberschätzung sind die Feinde der Effizienz
Es ist vollkommen normal und menschlich, dass man manchmal der Versuchung erliegt, den Konfrontationen mit Problemen aus dem Weg zu gehen. Da ihr aber die freie Wahl der Trainingszeit und der Trainingsareale- sowie Szenarien habt, darf ein Ausweichen nicht zur Gewohnheit werden. Denn als Hundebesitzer habt Ihr auch eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Wählt also die Lösungsstrategie mit Bedacht. Beobachtet und bewertet nüchtern und sachlich den Anforderungs- bzw. Ausbildungsverlauf eures Teams, und geht bei Bedarf wieder einen Schritt zurück - Stolz und Selbstüberschätzung sind Feinde jeglicher Effizienz. So würde im obigen Beispiel nur ein Hofnarr an einer viel befahrenen Strasse beginnen, frei nach dem Motto ”Ich mache das mal schnell” - Hofnarr und Hund würden hier dem Stress auf Dauer erliegen und Problemlösung bliebe eine Utopie. Viele kleine Teilerfolge geben zunehmend Sicherheit. Mit zunehmender Sicherheit und Erfolg (-fölgchen) lassen sich die Anforderungen sukzessive erhöhen. Manchmal können auch wenige Ursachen die Auslöser mehrerer Probleme sein. Demzufolge reflektieren spezifische Problemlösungen oftmals auch positiv auf andere Probleme bzw. deren Lösungsprozess zurück.
Und nicht erschrecken, wenn es Rückschläge gibt, denn auch die sind vollkommen normal und sind wohl oder übel ein fester Bestandteil jeder Ausbildung. Als lebender Charakter durchläuft auch Euer Vierbeiner, genau so wie seine zweibeinigen Rudelführer, Stimmungsschwankungen, Phasen der Veränderung und natürlicher Lebenszyklen seiner Art.
Und nicht vergessen, es gibt da eine Kleinigkeit, die man bei diesem treuen Freund niemals ganz aus dem Blick verlieren sollte. Eines wird er mit Sicherheit niemals sein -
Ein Mensch