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Die Bürde der Vergangenheit

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Wenn man sich nach reichlicher Überlegung sowie selbstkritischer und nüchterner Prüfung seiner persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten dazu entschieden hat, sich eines gebrauchten Hundes aus südeuropäischen Gefilden anzunehmen, so ist man sich darüber im Klaren, worauf man sich tatsächlich einlässt (s. auch Die Verantwortung der Adoption). Man ist sich bewusst, dass in diesen Ländern der Hund nur allzu oft als Sache gesehen wird - dort macht man macht sich den Hund erst zu Nutze, sobald er jedoch seine Schuldigkeit getan hat, so wird er schlichtweg entsorgt. Viele dieser Hunde haben durch Menschen ohne Ehre und Anstand unsägliches Leid und Vernachlässigung erfahren, sind auf der Strasse Überlebenskünstler geworden, und haben sich gegenüber anderen Artverwandten so oder so behauptet. Und weil man sich dessen bewusst ist, haben auch geschundene Hunde wie Uns Harrybo wieder eine Chance auf ein gutes und erfülltes Leben. Mit der Adoption eines solchen Hundes mit Geschichte übernimmt man nichts Geringeres, als die Verantwortung über ein Leben. Die Art und Weise, wie man dieser Verantwortung dauerhaft gerecht wird, ist ein Beleg dafür, von welchem Schlag Mensch man wirklich ist.

Hund Harry - Bürde der Vergangenheit
Oktober 2005 - er trägt schwer an seiner Vergangenheit

Leben mit Harrybo heißt leben mit einem liebenswerten ”Chaoten”. Ein ehrlicher, sozialer und friedfertiger Charakter, welcher den Kontakt zu aufrechten und unvorhereingenommenen Menschen regelrecht sucht. Er ist alles andere als ein Kind von Traurigkeit, und seine Manieren, vor allem wenn es um die Durchsetzung der Befriedigung seines individuellen Vorteilsdenken geht, wie beispielsweise Hundefreunden die heißgeliebten Leckerli herauszuleiern, erinnern schon einmal an die derben Manieren eines Bauers. Doch selbst diese Aktionen zaubern  allen Beteiligten immer wieder aufs Neue ein regelrecht "verzücktes" Lächeln ins Gesicht. Warum dem so ist, nun, dass ist schnell erläutert. Es ist schlichtweg das Konglomerat aus Beharrlichkeit, Erfindungsreichtum, dem ungemein knuffigen Anblick, nicht selten auch Tollpatschigkeit, doch vor allem auch die Gewissheit, dass hinter dieser inszenierten Kapriole ein grundguter Charakter steht, welcher endlich die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft in vollen Zügen genießen kann. Weiterhin haben nicht wenige dieser Menschen Harrys Werdegang, den langen und intensiven Entwicklungsprozess aufmerksam verfolgt, oder waren Teil dieses Prozesses gewesen. 

Dezember 2011 - heutzutage lässt sich der inzwischen 13jährige El Harrybo völlig problemlos durch lärmende und hektische Menschenmassen führen, lässt Fahrräder in der Regel selbst leinefrei völlig unbehelligt passieren und selbst dieser große, stinkende und laute passierende Stadbus wird heute kommentarlos einfach links liegengelassen. Es streichelt unsere Seelen, wenn wir mit unserem treuen Kämpen in Tigerstreifen ein überfülltes Forsthaus betreten, so manche der anwesenden Hauswölfe sofort mit unserem  Wölfchen in den artgerechten aggressiven Komment treten und unser alter Knabe, aufrecht, völlig unbeeindruckt sowie eindeutiger Körpersprache in aller Ruhe und mit breitestem, zur Schau gestelltem, Ego diese nervösen und lauten Artgenossen schlichtweg ignoriert - na klar,

denn der König "is in da house"!

Der Leine bedarf es heute generell nur noch bei Dunkelheit oder dann, wenn man sich in Arealen bewegt, in welchen Leinenpflicht herrscht. Wir bewegen uns größtenteils in Feld, Wald und Flur, und in der Dunkelheit ist uns unser Hauswolf in Sachen Wahrnehmungsfähigkeiten und Sinnesleistungen eben haushoch voraus, selbst wenn wir diesbezüglich selbst, als naturverbundene Menschen von Kindesbeinen an, beispielsweise einem modernen Stadtmenschen ebenso meilenweit voraus sind. Selbst bei Dunkelheit werden heute "normale" und unauffällige Passante, ja, sogar Fahrradfahrer und vorbeifahrende Kraftfahrzeuge einfach "links liegengelassen". Und gerade bei Dunkelheit ist der natürliche Hund, in welchem sich das Beste aus Bardino und Siberian Husky vereint hat, stets hellwach. Hier ist er mit Hingabe und Berufung Auge und Ohr seiner Gruppe.

 

Hund Harry - Die Rasselbande
Harry mittendrin - mit der Hauswolf-Rasselbande an der Quelle

 

Dass dem so ist, ist letztendlich die logische Konsequenz unseres 2005 eingeschlagenen Weges, in welchem wir unserem Hauswolf in einem jahrelangen Prozess über einen annähernd artgerechten Umgang, der steten Berücksichtigung seines individuellen Charakters und seiner Neigungen, einer sanften Erziehung und vehementer Konsequenz von seinen leidvollen Erfahrungen seines "alten Lebens" an der Kette "erlösen" konnten, indem wir ihm das Leben in unserer hiesigen Zivilisation Schritt für Schritt beigebracht haben. Mit  "erlösen" beschreibe ich dabei die Aufarbeitung und Beseitigung seiner damaligen durchaus bedenklichen aggressiven Verhaltensmuster in zahlreichen Szenarien außer Haus. Zu Beginn unseres gemeinsamen Weges waren es Lichtblicke wie sein völlig intaktes Sozialverhalten gegenüber seinen Artgenossen in Verbindung mit seinem völlig "normalen" Verhalten gegenüber fremden "höflichen" Menschen gewesen, welche uns darin bestätigt hatte, dass wir hier keinesfalls einen a priori aggressiven Hund übernommen hatten. Diese Bestätigung bedeutete im Umkehrschluss, dass dieses situationsspezifisch ungewöhnliche Verhalten, keinesfalls Harrys ureigenem Charakter entsprach. Auch die Tatsache, dass Harry 2005 nicht den Hauch einer Grunderziehung hatte, passte in dieses Bild von unserem Schützling. Sein signifikant schlechter Gesundheitszustand aus den damaligen Tagen rundete das Bild ab.

Heute, nach den vergangenen Jahren, besser ausgedrückt, an der Relation von El Harrybo heute Dezember 2011 und Harry Ende 2005, an dem gemeinsam Erlebten aus diesen Jahren, können wir uns ein relativ rundes, vor allem aber auch plausibles Bild von Harrys Vergangenheit auf Fuerteventura machen. Wie dem auch sei, letztendlich zählt einzig und alleine die Tatsache, dass Harrybo sein Leben hier in Waldbronn in vollen Zügen genießt, seine Lebensqualität zurückbekommen hat, und wir unseren Traumhund in unserer Mitte haben. Geblieben ist nur noch ein letztes Fragment aus seiner Vergangenheit - ein tiefes Misstrauen gegenüber fremden Menschen. Heute schätzen wir uns glücklich, dass wir dieses Misstrauen alleine über entspannte Kommunikation kontrollieren können, und selbst das Anleinen in der Regel nicht mehr notwendig ist. Der Weg hierhin war durchaus ein langer Weg gewesen, und entsprach lange Zeit dem aufgeführten Muster:

Traf man außer Haus auf Menschen, welche Harrybo nicht kannte, so wurden diese Menschen regelrecht über Distanz ”gescannt”. Hierbei hatten wir gelernt, Harrybos diesbezüglichen nonverbalen Signale zuverlässig zu lesen. In der Regel beendete unser Karnivor bereits nach wenigen Sekunden seine "Studien" der sich annähernden Passanten, und widmete sich wieder anderen Prioritäten wie z.B. der Tageszeitung am Wegesrand. Die Passage erfolgte nun bei leinefreiem Hund im kontrollierten Fuss- bzw. Hand Gang. Dabei war stets zu beobachten, dass unser Hauswolf auf den ersten Blick zwar völlig entspannt zu sein schien, dabei aber stets hellwach war.

Gebrauchter Hund Harry - ein beeindruckender Hauswolf
Schau mir in die Augen Kleiner

Im Idealfall traf und trifft man hierbei auf höfliche und unvoreingenommene Menschen, welche Harrybo auch auf Aufforderung begrüßen darf. Auf diese Weise hat unser Hauswolf viele seiner "Fans" gewonnen, zumal er irgendwie immer zu wissen scheint, wie er seinem menschlichen Gegenüber gefallen kann.

Nun kam es aber auch mal vor, dass Harrybo bei so manchem Passanten in Kommentverhalten auf distanzierte mögliche Bedrohung verfiel. Körpersprache und Bewegungsart zeigten hierbei eineindeutig, dass Uns Harrybo eine unklare Lage definiert hatte, wobei sich die Quelle dieser möglichen Gefahr, der Passant, stetig annähert. Die mögliche Bedrohung wurde optisch fixiert, der Gang wurde langsam und signalisierte Sprungbereitschaft  - klassisches Distanzdrohen basierend auf der natürlichen Aggression des Hundes. Gelang es uns nicht, Harry über Anweisungen von seinem Kommentverhalten abzubringen, so wurde er kontrolliert und in Ruhe angeleint.

Bei ruhiger Ansprache wurde der leinengeführte Fuß- bzw. Hand Gang fortgesetzt. In der Regel beendete Harrybo nun sein Kommentverhalten, signalisierte jedoch höchste Aufmerksamkeit wobei er zuverlässigen Gehorsam zeigte. Während der Passage ist unsererseits grundsätzlich unbedingte Aufmerksamkeit  gegeben, so dass Harrybo eine kontrollierte Situation erkennt. Auch wenn man gelegentlich in diesen Fällen ob der leinengeführten Passage und ruhigen Ansprache ”seltsame” Blicke der Passanten ”erntet”, so zählt für uns einzig und alleine ein beruhigter und entspannter Hund, und nebenbei bemerkt, stellt ein solcher Hund keinerlei Belästigung für diese Mitmenschen dar.

Und schließlich konnte es auch mal vorkommen, wenn auch sehr selten, dass Harrybo seine Kommentaktionen trotz Ansprache nicht beendete. Hier war nun offensichtlich, dass unser Hauswolf eine scheinbare Bedrohung für das Rudel definiert hatte. Zwar folgte er den Anweisungen, aber das anhaltende Kommentverhalten, bzw. sein Drang zur Kontrolle der Situation erforderte nun weitere Maßnahmen zur Entspannung. Da er trotz Anspannung weiterhin zuverlässigen Gehorsam zeigte, führen wir ihn über ruhige Hör- u. Sichtzeichen an den Wegesrand und liessen ihn absitzen. Auch wenn es unhöflich erscheinen mag, positionierten wir uns zwischen Hund und Passanten mit Front zu Harrybo. Über ein besonderes Zeichen liessen wir ihn ganz dicht an uns heranrücken. Während der Fußgänger passierte, wurde Harrybos Aufmerksamkeit über Hör- u. Sichtzeichen ”gebunden”. Das ”SITZ” wurde nach Passage kontrolliert aufgehoben und seine Aufmerksamkeit über weitere Ansprache gebunden. Ein letzter Blick in Richtung Passant, Ableinen und schon ging es entspannt weiter.

Wandern mit Hund - die Hütte ist entdeckt
2011 - Almhütte voraus

Warum nun dieses Verhalten - wir wissen es nur bedingt. Wir haben in diesen Fällen auf Bewegungsmuster, Bekleidung, Körperhaltungen oder auch mitgeführte Gegenstände wie Schirme etc. studiert, und diesbezüglich keinerlei Systematik hinsichtlich eines Triggers des Artspezifisch natürlich aggressiven Verhaltens erkennen können. Es ist jedoch gesichert, dass Harrybo selbst über große Distanz Unsicherheit oder gar Angst, sowie Aggression der Menschen wahrnimmt. Und diese Emotionen werden von unserem Harrybo eben als Bedrohlich eingestuft. Diesbezüglich haben wir viele Gespräche mit eben solchen Passanten geführt und stets wurde uns dabei bestätigt, dass sich diese Menschen vor Hunden fürchten, sei es aus eigenen negativen Erfahrungen oder allgemeinen Gründen. Und es freut uns ungemein, dass es den Ein- u. Anderen dieser einst ”furchtsamen” Menschen gibt, welcher von unserem Grünfell regelrecht ”bekehrt” wurde, in Sachen Furcht nicht mehr alle Hunde über einen Kamm schert, und hier und da sogar mit Begeisterung leckeren Wegezoll an unseren fidelen Wegelagerer entrichtet.

Über unhöfliche oder gar aggressive Menschen brauchen wir nicht reden. Wir sorgen für eine entspannte Passage, der Mensch darf passieren. Dumme Sprüche kann man ”knicken”, sie kommen ja eben von dummen Menschen. Und um in Sonderfällen fehlende Erziehung bei diesen Menschen zu korrigieren, nun dazu bedarf es keinesfalls eines Hundes - das ist im Bedarfsfalle die Aufgabe seines Menschen am anderen Ende der Leine  Hunde und Menschen

Dass er auch heute noch vielen Fremden misstraut, wissen wir. Doch mit den Jahren und tausenden damit einhergehender Passagen hat er nicht nur kontrolliert Routine entwickelt, sondern letztendlich gelernt, bzw. mit den entwickelten und immer gleich bleibenden Schemata verknüpft, dass seine Sozialpartner die Situation kontrollieren. Selbst wenn er heute beispielsweise bei Dunkelheit aufgrund eines entgegenkommenden Fußgängers in Anspannung verfällt, seine diesbezügliche Anfrage über Blickkontakt zum Hundeführer präzisiert, so reagiert er prompt wie ein Schweizer Uhrwerk auf unsere Antwort in Form ruhiger Ansprache. In seltenen Fällen "fahre" ich noch zusätzlich meinen Zeigefinger vor seinem Kopf auf 16.00Uhr (Fuß-Gang) bzw. 19.00Uhr (Hand-Gang) aus. Dass sich der Hundeführer zwischen Hund und Passant befindet, braucht nicht näher erläutert werden. Spätestens jetzt ist die unauffällige Passage garantiert.

Verfällt er jedoch nicht in Anspannung, und tritt ebesowenig in Kommunikation mit uns, so kann man ihn heute bedenkenlos voraus laufen lassen.

Hundepfote

  Kapitelübersicht Bardino-Husky Harry:

  • Ein geschundener Kettenhund kommt nach Hause
  • Nichts wird mehr so sein, wie es gestern noch gewesen war
  • Bardino-Husky Harry im neuen Heim
  • Harrys Erfahrungen in Menschlichkeit - sein medizinischer Befund
  • Vom ”wahren Harry” und einem zarten Pflänzchen namens Vertrauen
  • Bardino-Husky Harry - ein Hund erwacht
  • Erst am Ende wird die Rechnung aufgemacht
  • Bardino-Husky Harry - ein kleiner Rückblick
  • Rückblick Erziehung - die ultimative Herausforderung in Tigerstreifen
  • Die Bürde der Vergangenheit
  • Dr. El Harrybo und Mr. Harry - Die Sache mit der Dunkelheit
  • Bardino-Husky Harry - eine kontaktfreudige Frohnatur
  • Bardino-Husky Harry - Epilog