Bardino-Husky Harry - Epilog
Wenn man sich mit einem gebrauchten Hund einlässt, muss man sich unbedingt darüber bewusst sein, dass man sich auf ein Individuum mit mehr oder weniger Lebenserfahrung einlässt - ein einzigartiges intelligentes Lebewesen mit all seinen individuellen Stärken und Schwächen, mit all seinen Geheimnissen. Ein domestizierter Karnivor vom Kaliber Harrybo ist mit Sicherheit nicht der Regelfall, doch wie Ihr gesehen habt, kann es nun durchaus auch mal vorkommen, dass man eben einen etwas ”anspruchsvolleren” Hund adoptiert hat. Ein Angehöriger der Art Homo sapiens (LINNAEUS, 1758) zu sein ist Eine Sache, wie ein moderner Mensch zu handeln jedoch eine ganz Andere. Wie dem auch sei, die Art und Weise, wie Ihr Eurer Verantwortung und Pflichten gegenüber dem Euch anvertrauten Haus Hund gerecht werdet, wird zeigen, von welchem Kaliber Mensch Ihr wirklich seid. Die Bindung eines Hundes erreicht man nämlich nicht durch Sprüche, lange Texte oder gar schöne Homepages
Abenteuer Urlaub
Bindung erreicht man einzig und alleine dadurch, dass man Tag für Tag in den Augen des Hundes durch Taten besteht, dass man jeden Tag aufs Neue unter Beweis stellt, dass man dieses Vertrauen tatsächlich wert ist - ein ganzes Hundeleben lang.
Es ist Februar 2012. Unser inzwischen 13,5 Jahre altes Alterchen in Tigerstreifen ist uns unverändert ein treuer Gefährte im Alltag. Wenn man ihn heute so sieht, wie er sich problemlos durch die Gemeinde führen lässt und sich selbst leinefrei vorbildlich präsentiert, so muss man sich doch stets darüber im Klaren sein, dass Harrybo nach wie vor kein "einfacher" Hund ist, und unverändert fremden Menschen mit Misstrauen begegnet. Aber er hat im Verlaufe der vergangenen sehr intensiven Jahre gelernt, mit diesem Misstrauen umzugehen, und dementsprechend mit solchen Menschen unauffällig zu interagieren. Aufgrund seines signifikant unsicheren Verhaltens während des ersten Jahres, ist er mit Sicherheit der bekannteste Hund in unserer Gemeinde, denn es gibt kaum einen Bewohner, welchen er bei Begegnungen in jenen Tagen nicht als Bedrohung eingestuft hatte. Diese Zeiten sind allerdings schon lange passé. Sogar heute, nach nunmehr 6,5 Jahren, werden wir hier und da immer noch auf Harrybos umfassende Entwicklung zum Positiven angesprochen. Und wenn er sich heute einmal an einem Dialog lautstark beteiligt, nun, so erkennt selbst das unerfahrene Auge, dass hier kein aggressiver Hund bellt, sondern dieser Weißbart eben gerade völlig andere Prioritäten gesetzt hat, als dieser seltsamen Primatenkommunikation zu lauschen
Der stets fidele Harrybo bei Toni und Ivi zu Besuch
Vor zwei Jahren wurde bei Harrybo schwere Arthrose im linken Hüftgelenk diagnostiziert. Auch wenn die Prognosen seitens der TK bestenfalls suboptimale Lebensqualität in Aussicht stellten, so brachte eine schulmedizinische Schmerztherapie in Verbindung mit Gewichtsreduktion zumindest Besserung. Zu diesem Zeitpunkt hätten wir uns aufgrund seines auffallend "unrunden" Bewegungsablaufs beim Laufen nicht träumen lassen, dass unser Hauswolf bereits 4 Monate später unsere Kondition während unseres Wanderurlaubs in Österreich ordentlich auf die Probe stellen sollte. Dass dem so war hatte nicht das Geringste mit einem Wunder zu tun, sondern war die logische Konsequenz profunder Physiotherapie. Harrybos finstere Vergangenheit hat ihn geprägt und wir mussten in den vergangenen Jahren so manche Veterinärmediziner kennenlernen, welche mit den Auswirkungen von Harrybos Misstrauen schlichtweg vollkommen überfordert gewesen waren. In der Tier-Reha Karlsruhe hingegen haben wir in der Leiterin eine erfahrene Tierärztin gefunden, welcher es in der Tat gelungen ist, unserem "Helden" eine äußerst effektive und dabei auch relativ stressfreie Therapie angedeihen zu lassen.
Harry auf dem Laufband 14.02.2012
Auch heute noch geht Harrybo einmal wöchentlich aufs Laufband im Wassertank. Es steht außer Frage, dass dieser wöchentliche Termin für unseren Rentner einen Heidenspaß darstellt. Und weil dem so ist, legt er in der Praxis auch schon einmal Revierverhalten an den Tag. Er weiß ganz genau, an welchen Stationen die Becher mit den Leckerli stehen, oder glänzt auch gerne mal mit den Manieren eines Bauers. Vor allem aber können seine Karnivorensinne jedes Mal aufs neue erkennen, dass er hier schon längst herzlich willkommen ist.
Der alternative Wassertank - verdiente Abkühlung nach anstrengender Hüttenwanderung 2011
Ausführliches über Harrybos erfolgreiche Physiotherapie gibt es in "Kapitel 9 - Lebensqualität" unseres Buches Der gebrauchte Hund zu lesen
Ende 2013 waren im rechten Ohr erneut Streptokokken nachzuweisen. Damit einhergehend wurde eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt (aha!), welche wir jedoch, wie auch Harrys ungebetene Gäste, bereits nach wenigen Wochen, dank Tabletten, Antibiotika und den vertrauten Malaseb-Badeorgien, fest im Griff hatten (Blutuntersuchungen). Auch ein halbes Jahr danach ergab die Laborbefundung eine unauffällige Schilddrüse nebst hervorragenden Leber- und Nierenwerten (nicht ansatzweise im »High«- bzw. »Low« - Toleranzbereich). Allerdings war erneut ein erhöhter Kalziumwert nachzuweisen.
Ende September 2014 - sich im Stützgeschirr mit Hingabe durchschnuffeln
In Sachen Ernährung mussten wir zu Jahresbeginn die Proteinquelle Rohfleisch durch hochwertiges Dosenfleisch ersetzen, da der Darm eines alten Hundes, selbst wenn dieser erst 15 Jahre alt ist, die Nährstoffe nicht mehr richtig aufschließen und verwerten kann. Die neuen Speisezettel hatten übergangslos das Wohlgefallen unseres Gourmets in Tigerstreifen gefunden.
Ebenfalls zu Jahresbeginn war dann auch das Aufentern ins Auto über die Rampe zum Problem geworden. Dementsprechend haben wir uns ein Stütz- u. Tragegeschirr besorgt. Der Erfolg der Physiotherapie (Wasserlaufband und Blockadenlösen) begann zu stagnieren. Als er dann im April trotz Stützgeschirr den Treppenabstieg verweigerte, da lag die Lösung dieses Problems auf der Hand - wenn Du die Treppe eben nicht mehr schaffst, dann musst Du halt getragen werden. Fortan haben wir unseren guten alten Hundemann nicht nur die 18 Stufen Außentreppe hoch- und hinuntergetragen, nein, wir haben ihn grundsätzlich alle Treppen, Absätze, Sockel und Co. sanft hoch- und runtergelüpft. Harry fand das toll, doch vor allem hat ihm diese Vorgehensweise gutgetan. Dass wir seine bisherige Dauer-Schmerztherapie entsprechend angepasst haben, bedarf wohl keinerlei Erörteung.
Ihre Noblesse Kira und ihr geliebter spanischer Bauer
Zweifelsohne hatte sich unsere Kira mit den Jahren in unseren spanischen Bauern gehörig "verguckt". Was Harry anging, so war ihm diese Zuneigung nie so richtig geheuer gewesen, zumal er zeitlebens vor unserer kleinen Terror-Liese einen gehörigen Respekt gehabt hat.
Leider unscharf doch sagt diese Aufnahme mehr als jedes
Wort
Im Herbst glich unser Erdgeschoss dann einem Teppichbasar. In unserem Wohnzimmer lagen, und liegen, 2 Gabbeh Teppiche und ein schwerer Berber, Harrys Lieblings-Liegeplatz. Da Hundemann nun zusehends auch im Schulterbereich recht steif wurde, mussten wir den gefliesten Boden vollständig mit Teppichen und Matten abdecken. Auf blanken Fliesen war ein Sturz vorprogrammiert gewesen. Die Teppiche gaben ihm entsprechenden Halt.
Trotz aller Gebrechen zog es ihn unverändert raus in
sein Revier
Gelegentlich kam es nun vor, dass unser Rentner in Tigerstreifen in der Wohnung etwas verlor bzw. liegenließ - dank BARF allerdings stets wohlgeformt. Nach Rücksprache mit unserer begleitenden Tierärztin stand fest, dass wir das lange und zähe Ringen mit Harrys Arthrose verlieren würden, aber jetzt noch nicht. Ebenfalls stand fest, dass Harry noch viel zu agil, mit Freude und hellwach im Kopf am Leben teilnahm, um sein Leben zu beenden.
Ein bis dato unentdeckter Tumor sollte uns schon wenige Tage später die Entscheidung aus der Hand nehmen. Die Ironie daran bestand in dem Umstand, dass unser treues Alterchen die Tage zuvor regelrecht aufgeblüht war. Draußen war er wieder relativ gut unterwegs gewesen (und, für seine Verhältnisse, auch weit gelaufen). In der Wohnung hatte er mich sogar (endlich) mal wieder an der Tür begrüßt, mir seinen ollen Wolfskopp zwischen die Beine gerammt und gepflegt geschubbert. Noch am Morgen des Vortages war Harry noch bestens drauf gewesen und ist, selbst angesichts kaltem und feuchten Wetter, relativ gut gelaufen.
Am frühen Morgen des 03. Dezembers musste unser geliebtes Familienmitglied Harry in der Tierklinik Weingarten eingeschläfert werden und ist in unseren Armen gestorben.
Es heißt, dass es
einem jeden helfen würde, den, sich in der Ferne abzeichnenden, Tod eines
geliebten Freundes leichter zu ertragen,
wenn man sich im Geiste nur rechtzeitig darauf vorbereitet.
Was Anja und mich angeht, nun, so steht fest, dass man sich vorbereiten kann, wie auch immer man
will, in der Stunde der Entscheidung
hingegen, wird sich stets aufs Neue
offenbaren, dass man sich auf diesen kalten
und gnadenlosen Augenblick auch nicht
ansatzweise wirklich vorbereiten kann! Stattdessen reißt es einem stets aufs Neue das Herz heraus. Doch letztendlich werden wir uns irgendwann wieder aufrappeln, und weitermachen, Was sollten wir auch sonst tun? |
Das Leben an der Seite dieses liebenwerten Chaoten war in der Tat ein intensiv gelebtes Leben. El Harrybos Werdegang ist der unwiderlegbare Beleg dafür, dass es sich für Mensch und Hund lohnt, wenn man sich bei der Wahl des Familienhundes eben für einen reiferen Tierschutzhund entscheidet. Wenn wir uns bei einer solchen Entscheidung darüber im klaren sind, dass ein reifer Hund über individuelle Lebenserfahrung verfügt, welche sein Verhalten entsprechend seines Charakters geprägt hat, und wenn wir dieses Ansinnen bewusst und aufrecht angehen, dann haben selbst Notfälle wie Harry eine neue Chance auf ein artgerechtes und erfülltes Leben. Was liegt also für den intelligenten modernen Menschen näher, als dem natürlichsten Begleiter unserer Altvorderen auch heutzutage Schutz und Obhut zu gewähren.
Als ein vormals geschundener Kettenhund war Harry am 25. September 2005 in unsere Familie gekommen. Als das gestandene Familienmitglied Harrybo folgte er bis zum letzten Atemzug einer alten Tradition, welche für alle unsere Hunde bezeichnend war -
Genau wie sie alle es stets waren,
so
war auch Harrybo
Ein Segen für seine Menschen!